Die unerfüllte Sehnsucht nach der Wärmepumpe: „Dann ist die Bude kalt“
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Ein Heizungsmonteur bei der Arbeit (Archivfoto).
© Quelle: picture alliance / blickwinkel/fotototo
Soll ich noch schnell eine Ölheizung einbauen? Kann ich meine neue Gasheizung behalten? Wie teuer würde ein Hybridlösung, um das eigene Häuschen künftig zu beheizen? Die für 2024 ausgerufene „Wärmewende“ soll den Verbrauch fossiler Brennstoffe in Deutschland drastisch reduzieren. Ab 2024 will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) den Einbau von neuen Öl- und Gasheizungen in Wohngebäuden verbieten. Ab dann sollen in Deutschland jährlich 500.000 Wärmepumpen installiert werden. Über die Umstellung Deutschlands auf erneuerbare Energien, die damit verbundenen Herausforderungen für die Installationsunternehmen und die Verunsicherung der Branche sprachen wir mit einem Experten.
Hallo Herr Schuh, schön Sie zu sprechen. Es ist ja derzeit durchaus schwer, Installateure an den Apparat zu bekommen.
(lacht) Ich muss auch tatsächlich gleich zu einem Termin. Es ist sehr viel los derzeit.
Seit die geplante Novelle des Gebäudeenergiegesetzes, die von Regierungsseite als „zwingender“ Baustein zur „Wärmewende“ gesehen wird, im Ministerium von Robert Habeck vorgestellt wurde – wollen da Kunden überhaupt noch eine Gas- oder E-Heizung von Ihnen eingebaut bekommen?
Sie wollen schon. Aber jedes Gebäude muss für sich betrachtet werden. Bei denkmalgeschützten Gebäuden etwa können wir nur mit fossilen Energieträgern oder Hybridlösungen arbeiten. Tatsächlich ist Verunsicherung festzustellen – da kann man nur mit hohem Beratungsaufwand gegensteuern.
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Ist aber durch die Verbotspläne der Regierung ein Rückgang bei den „fossilen Aufträgen“ festzustellen?
Eher ist da gerade ein „Run“ drauf festzustellen, weil viele Angst haben, dass sie im nächsten Jahr keine Gas- oder Ölheizungen mehr einbauen dürfen.
Ein „Run“ – weil Gas- und Ölheizungen billiger sind?
Eine Gasheizung ist natürlich viel viel billiger. Für den neuen Kessel einer Öl- oder Gasheizung müssen Sie 10.000 bis 15.000 Euro rechnen, für eine Wärmepumpe 35.000 bis 40.000 Euro und für eine Hybridlösung 60.000 Euro. Der Aufwand im Installationsbereich liegt beim Faktor 2,5 bis drei. Sie müssen viel mehr Komponenten miteinander verbinden. Bei einer Hybridlösung in einem Bestandsbau kann man sich allerdings auch eine Gebäudedämmung sparen.
Und gibt es auch den Kunden, der sagt: „Oh Gott, muss ich meine nagelneue Gasanlage jetzt wieder ausbauen lassen?“
Das kommt auch vereinzelt vor. Aber wenn man dann mit dem Kunden redet, ist er auch ganz schnell beruhigt, dass er das Richtige eingebaut hat. Etwas dazu zu bauen geht später immer. Wir können aus einer Gasheizung später immer noch eine Hybridanlage bauen – also Gasbrennwertkessel oder Therme kombiniert mit einer Wärmepumpe.
Für zusätzliche 35.000 Euro?
Es wird nicht preiswerter. Um dann die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, ist es schon ein immenser Aufwand.
„Mit einer halben Anlage kann man keinen glücklich machen“
Muss man sich als Besitzer einer fossilen Heizungsanlage künftig Sorgen um Ersatzteile machen?
Es ist schon so: Wenn Sie einen Kessel oder eine Therme haben, der oder die 20 Jahre alt ist, muss Ihr Handwerksbetrieb jetzt schon prüfen, ob er Ihnen morgen noch die Ersatzteile dafür beschaffen kann. Oder ob es Zeit für etwas Neues ist, weil die Ersatzteile zur Neige gehen.
Was bedeutet die politische Fokussierung auf die Wärmepumpe für Installationsunternehmen wie Ihres? Sind die Auftragsbücher für 2024 jetzt schon voll mit Wärmepumpenaufträgen?
Ja. Auf jeden Fall. Wir schieben da leider auch schon richtig viel vor uns her. Viele Betriebe haben die Wärmepumpen bereits im Lager stehen. Problem: Es fehlt fast immer ein Puzzleteil. Wenn die Regelung nicht komplett ist oder irgendeine Bauteilgruppe fehlt, bekommt mein Betrieb zwar schon die Rechnung vom Handel oder vom Hersteller. Ich kann aber beim Kunden nicht abrechnen, und kann nicht einbauen, weil man mit einer halben Anlage keinen glücklich machen kann.
Und dann?
Dann ist die Bude kalt.
„Wir bauen lieber das vertraute und namhafte deutsche Produkt ein“
Weil die Komponenten aus vielen Ländern kommen und manche Lieferketten unterbrochen sind?
Genau. Und das verschlankt – ohne dass ich jetzt auf Herstellern herumreiten möchte – auch nicht unsere Prozesse beim Handwerk. Wir müssen das Vorhandene zwischenlagern, brauchen Lagerkapazitäten. Mancher mietet sich für die Pumpen große Lagerhallen an, weil beim Kunden kein Platz ist. Eingebaut wird in der Regel erst dann, wenn alles vollständig ist.
Kann man dem Kunden Prognosen geben. So à la „Zwei Bauteile fehlen noch – die kommen aus China – dann kann die Wärmepumpe im Mai eingebaut werden“?
Da kann man überhaupt keine Prognose geben. Weil das sehr viele kleine Bauteile sind.
Gibt es schnellere, günstigere Wärmepumpen-Lösungen als Produkte von deutschen Herstellern?
Es gibt einige Hersteller, die werben damit – vornehmlich asiatische Pumpenhersteller. Aber deren Produkte haben einen anderen Wirkungsgrad. Wir als Handwerker sind damit nicht geschult, wir bauen lieber das vertraute und namhafte deutsche Produkt ein als das asiatische, das zwar auf dem Markt verfügbar ist, über das wir aber überhaupt keine Erkenntnisse und bezüglich dessen wir kaum Kompetenz haben. Denn was in wärmeren Ländern gut funktioniert, tut das hier bei minus 12 Grad eventuell nicht mehr.
Apropos: Kompetenz in Sachen Wärmepumpe: Ist es für den Installationsbetrieb einfach, von bisherigen Schwerpunkt Gas- und Ölheizungsinstallationen auf den Einbau von Wärmepumpen umzuschwenken? Oder ist die Wärmpumpeninstallation etwas, worin deutsche Installateure bisher nicht so routiniert sind?
Der Installateur bei uns hat eine Topgrundausbildung, von der ausgehend er ganz schnell per Booster-Ausbildung dorthin geschult werden kann, wo man ihn braucht. Es fehlt dann nur noch das gewisse Training, um eine Wärmepumpe möglichst schnell einbauen zu können. Wir haben zur klassischen auch noch eine überbetriebliche Ausbildung, damit unsere Fachleute hinsichtlich der erneuerbaren Energien den letzten Schliff bekommen. Danach kommt noch das Feintuning bezüglich der verschiedenen Hersteller – bei dem einen sitzt die Schraube, an der gedreht werden muss, unten rechts, beim anderen unten links.
War die Wärmepumpe vor der Gaskrise durch den Ukrainekrieg ein Exot im Installationsgewerbe?
Bei Neubauten war sie schon gesetzt. Ging es aber um Bestandsbauten, wurde es beratungsintensiv. Da dominierte schon der Wirtschaftlichkeitsgedanke und man blieb oft beim Gas, weil Gas günstiger eingekauft werden konnte als Strom.
„Wir müssen uns die Infrastruktur eines Gebäudes genau ansehen“
Die Bundesregierung hat den Einbau von 500.000 Stück im Jahr als Zielmarke ausgegeben. Kann der Pumpenbedarf in Deutschland nach Ihren Erfahrungen überhaupt gedeckt werden durch die derzeitigen Produktionskapazitäten der Wärmepumpenhersteller? Und kann die Marke durch die Leistungsfähigkeit der 48.900 Betriebe des Sanitär-, Heizungs- und Klimahandwerks geschafft werden?
Ich glaube schon, dass wir einiges erreichen können. Aber in einem Bestandsbau wird ja nicht nur die Wärmepumpe eingebaut. Wäre es nur die reine Montage, könnten wir die 500.000 pro Jahr locker installieren. Aber wir müssen uns die Infrastruktur des jeweiligen Gebäudes genau ansehen. Da muss vorher ein hydraulischer Abgleich gemacht werden. Man muss gegebenenfalls Heizkörper austauschen, um Systemtemperaturen niedriger zu fahren. Das Drumherum spielt eben auch eine große Rolle und das kriegen wir, glaube ich, nicht alles so schnell hin. Das ist Aufwand.
Was versteht man unter dem hydraulischen Abgleich?
Sie versuchen dadurch, die Wassermengen der Heizung gleichmäßig im Gebäude zu verteilen. Das war vorher nicht so relevant, weil Sie mit fossilen Energieträgern die Heizkurve einfach ein wenig höher stellen konnten. Was aber bei der Wärmepumpe nicht funktioniert. Und das bringt dem Kunden weitere Kosten. Der hydraulische Abgleich kostet ihn etwa 20 Euro pro Quadratmeter beheizter Fläche. Rechnen Sie das mal für 200 Quadratmeter.
„Wenn wir Glück haben, ist die Regierung für Technologieoffenheit zu haben“
Welche Alternativen zur Wärmepumpe – möglicherweise bessere Alternativen – könnten sie ihren Kunden empfehlen – Pelletheizung, Photovoltaik, Solarthermie, Elektroheizung?
Die Alternativen sind immer vom Gebäude abhängig, das zu pauschalisieren fällt mir schwer. Wenn ich keine Dachfläche habe, brauche ich nicht über Photovoltaik nachzudenken. Komme ich in Berlin mit einer Pelletanlage an, wird das wegen der hohen Staubbelastung im Ballungsgebiet schwer umsetzbar – weil vielleicht auch Fernwärme genutzt werden könnte. Wir sind aber technologieoffen und sehen uns alles von Fall zu Fall genau an.
Ab wann rechnet sich eine Wärmepumpe?
Nach einer Wirtschaftlichkeitsberechnung – nach dem Motto „ab zehn Jahren rechnet sich das“ – wird heutzutage nicht mehr gefragt. Sie ist auch nicht möglich, denn wohin der Strompreis geht, kann heute keiner sagen. Fakt ist: Erneuerbare Energien müssen eingebaut werden, das ist mit Wärmepumpen zu realisieren. Wenn wir Glück haben, ist die Regierung für Technologieoffenheit zu haben, dann hätten wir Alternativen im Angebot: Pellet oder das in Bayern stark verbreitete Scheitholz oder thermische Solaranlagen.
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© Quelle: dpa
Informiert der Installateurbetrieb den Kunden darüber, wo er welche Fördermittel bekommt, um die teuren Wärmepumpen oder Hybridanlagen zu kofinanzieren?
Das ist ein „Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“. Mal wird was gefördert, dann fällt es wieder weg. Für den Handwerker ist dieser Wust nicht immer gleich so verständlich und für das Handwerk ist eine solche Hin-und-Her-Politik auch nicht gerade förderlich. Aber man muss natürlich grob Bescheid wissen, denn Fördergelder müssen im Angebot an den Kunden ausgeschrieben werden.
„Der Handwerker will keine tägliche Weltreise mehr machen“
In den vergangenen 30 Jahren hat der Gebäudesektor 40 Prozent seines CO₂-Ausstoßes reduziert. Bis 2030, in nur einem Viertel der Zeit, soll nun die gleiche Anstrengung, also noch einmal 40 Prozent erfolgen – so der Druck der Bundesregierung. Ist das Ihrer Meinung nach realistisch?
Realistisch ist das aus meiner Sicht nicht. Ich glaube, das Handwerk gibt wirklich sein Bestes und kann noch viel mehr. Aber durch die ganze derzeitige Verunsicherung macht es mittlerweile deutlich weniger Spaß. Man fragt sich: „Wie kann ich morgen meinen Auftrag noch ausführen? Und mit welchen Leuten?“ Durch diesen Druck überfordere ich auf Dauer meine Mitarbeiter und laufe Gefahr, dass die mir abwandern. Alle suchen gute Handwerker – die Industrie und sogar unsere Kunden, wenn das große Wohnungsbauunternehmen sind.
Käme ich heute mit dem Auftrag für eine Wärmepumpe 2024 zu Ihnen – könnten Sie den noch annehmen oder würden Sie mir sagen: „Komm mal 2026 wieder?“
Das ist wie beim Arzt: Es gibt da keine Ferndiagnose. Ich würde nie pauschal abwinken. Ich würde mir auf jeden Fall Ihr Gebäude anschauen, alles analysieren und schauen, was bei Ihnen reinpasst. Erst dann könnte ich Ihnen auch erklären, ob da noch was für 2024 geht – oder eben nicht. Manchmal kann man dann sagen: „Da gibt es noch eine Wärmepumpe für Sie.“ Ich würde mit Ihnen als Kunden jedenfalls zusammen einen Fahrplan erarbeiten
Aber es wird in den kommenden Jahren nicht einfach.
Es wird schwierig. (lacht) Aber im Dialog zwischen Betrieb und Kunde wird immer etwas entstehen. Ein Tipp noch: Nicht 100.000 Handwerker bundesweit abtelefonieren, dann kriegt man 100.000 Absagen. Der Handwerker schaut heute mehr als früher darauf, dass der Kunde in seiner Nähe lebt. Er will keine tägliche Weltreise mehr machen und morgens vor der Arbeit erst mal zwei Stunden im Stau stehen.
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"Das Handwerk gibt sein Bestes": Andreas Schuh, Obermeister der SHK Innung Berlin, stellt bezüglich der "Wärmewende" Druck auf seine Branche und Verunsicherung auf Seiten der Kundschaft fest.
© Quelle: SGE
Andreas Schuh (55) ist gelernter Installateur („im väterlichen Betrieb groß geworden“), Obermeister der SHK Innung Berlin (Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik) und führt einen Handwerksbetrieb, die SGE GmbH (Service für Gebäudetechnik und Energiemanagement). An der Technischen Fachhochschule Berlin erwarb Andreas Schuh sowohl den Diplom-Ingenieur im Studiengang Technisches Gebäudemanagement als auch den Master of Engineering im Studiengang Gebäudetechnik & Energiemanagement. Seit der Gründung seines Ingenieurbüros im Jahr 2005 ist Schuh als Lehrbeauftragter an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) im Bereich Energiemanagement für kommunale Immobilien tätig. Sein beruflicher Schwerpunkt liegt in der Planung und Beratung. Auch ist er öffentlich bestellter Sachverständiger für Sachverständiger für das SHK-Handwerk.